Heute habe ich mit einer Kollegin ein Video über Decken- und Entspannungstraining angesehen. Ehrlich gesagt: mir gruselt richtig nach dem, was uns da präsentiert wurde.
Fang ich mal mit Entspannungstraining an.
Es kann sicher in vielen Fällen ein wichtiger Bestandteil sein, mit seinem Hund Entspannung „zu üben“, wenn der Hund von alleine nicht zur Ruhe kommt. Das könnte z.B. bei einem Hund aus dem Tierschutz der Fall sein. Vielleicht ist er durch die letzten Erfahrungen – Abgabe im Tierheim, Stress im Tierheim, Transport aus dem Ausland, Pflegestelle ….. – so durcheinander, dass es durchaus überlegenswert ist, ihm ein bisschen dabei zu helfen runterzukommen. Aber wie mache ich das? Indem ich ihn auf ein Entspannungssignal wie auch immer konditioniere?
Das halte ich zwar für eine nette Idee, dem Hund etwas freundliches zu sagen und schon atmet er beruhigt aus, wird ganz locker und sagt sich: naja, soo schlimm wirds schon nicht sein. Und im nächsten Moment liegt er in seinem Körbchen und pennt.
Mit einem Hund aus dem Tierschutz? Der in irgendeiner Form traumatisiert ist? Ganz sicher nicht. Was der braucht, ist Verlässlichkeit, viel Zeit, Geduld, Geduld, Geduld…. und zwar von mir, nicht von irgendjemand. Wenn ihr merkt, die Geduld geht euch aus, dann lauft schnell zu Rossmann und holt euch da ein paar Kilo im Sonderangebot. Solange ein traumatisierter Hund nicht sicher weiß, dass er euch vertrauen kann, solange wirds etwas hapern mit der Entspannung. Dass ihr der Entspannung ein wenig nachhelft mit Relaxodog, Entspannungsmusik, DAP oder ähnlichem ist ja auch überlegenswert.
Na, dann vielleicht für einen Welpen, der gerade bei mir eingezogen ist? Der läuft dauernd hinter mir her und kommt nicht zur Ruhe. Wenn er dann endlich liegt und ich will ihn dafür loben und streicheln, springt er sofort auf und rennt wieder hinter mir her. So eine Überraschung! Vielleicht sollte man ein Hundekind einfach mal in Ruhe lassen, wenn es sich schon zur Ruhe begibt? Ich erlebe gerade bei Erstgesprächen immer wieder, dass sich ein junger Hund, der sich ein bisschen den Hundeplatz angesehen hat und jetzt ein Nickerchen machen möchte, zu seinen Menschen legt und – zack! – schon landet die Menschenpfote auf dem Hund, weil er doch so niedlich aussieht und wenn er sich herlegt, will er doch sicher gestreichelt werden. Nein, will er nicht! Er will einfach ein bisschen dösen. Kann er aber nicht, deshalb wird das nix mit der Entspannung.
Na, gut, aber ein aufgeregter Jundhund. Ihr ahnt es schon: auch hier wird das nicht so einfach mit der konditionierten Entspannung, denn wenn dieser Hund vielleicht seit Welpenalter an nicht wirklich gelernt hat zur Ruhe zu kommen, weil ihr ihn permanent mit euren Forderungen auf Trab haltet, dann könnt ihr gerne mal ein bisschen rumkonditionieren, aber erwartet euch lieber nicht zuviel. Ich sage nicht, dass das nichts bringt. Aber jetzt verrate ich euch ein Geheimnis. Kostet auch nix.
Zuerst eines meiner Lieblingszitate, es stammt von Patricia McConnell: Wenn du einen freundlichen, höflichen, geduldigen Hund haben möchtest, dann musst vor allem DU freundlich, höflich und geduldig sein.
Genau. Wenn ihr unruhige Zappelphilipps sein, die von einem Event zum nächsten hechten, die keine Zeit für nix haben, alles in Windeseile erledigen müssen, an ihren Hund weiß Gott was für Erwartungen stellen, dann bekommt ihr einen Hund, der nicht zur Ruhe kommen kann. Eigentlich nicht überraschend.
Und jetzt kommt das Geheimnis: Macht mal Mittagsschlaf. Von mir aus auch ein Nickerchen irgendwann untertags, muss nicht mittags sein. Legt euch auf die Couch, ganz gemütlich, deckt euch zu, lest vielleicht noch ein bisschen, und irgendwann legt ihr euer Buch weg und macht die Augen zu. Ich traue mich wetten, dass mindestens 90% der Hunde das für eine sehr gute Idee halten. Sie werden vielleicht erstmal schauen, was ihr da so macht, aber wenn von euch nix kommt, dann hauen die sich auch aufs Ohr. Und wenn ihr regelmäßig solche Dinge einbaut, aufhört, ständig und immer und überall irgendwelche absurden Dinge wie „ich muss dauernd an meinem Hund rumfummeln“ oder „100 Tricks täglich machen Spaß“ oder „ausser Agiltity machen wir jetzt noch Mantrailing, Apportieren und 2x die Woche Hundewanderung“ oder mit ähnlichem Zeugs euren Hund zu nerven, wenn ihr stattdessen gemütliche Spaziergänge mit vielen Pausen und kleinen Abenteuern unternehmt, dann werdet ihr euch wundern, wie entspannt euer Hund auf einmal ist. Und ihr auch.
So und jetzt noch ein paar Takte zum so sehr beliebten Deckentraining.
Bei uns zu Hause gibt es viele Hundeplätze: Körbchen, Decken, Couchen oder, wie ihr auf dem Foto sehen könnt, unser Bett. Da legen sich die Hunde hin, wenn ihnen danach ist. Evtl. näher bei uns, wenn sie unsere Nähe suchen, oder auch weiter weg, z.B. wenn Besuch da ist, der sie nervt. Das mussten wir nicht üben, das machen sie einfach. Und wo sie da liegen, ist uns total egal.
Ja, aber im Restaurant, da müsste der Hund doch….? Ja, das könnte eine gute Idee sein, aber: meinen ersten Hund bekam ich Anfang 1980, also im letzten Jahrhundert, vor 44 Jahren. Als die Maus ca. 1 Jahr alt war, war ich mit ihr in einer Gaststätte und sie war sehr unruhig, wenn ich mal aufs Klo gehen wollte. Da hat mich vom Nachbartisch ein alter Jäger angeredet und gesagt: „Mädel, leg deinem Hund deine Jacke hin, dann weiß er, dass das jetzt euer Platz ist und wenn du weggehst, sagst du ihm, dass du gleich wieder kommst.“ Das hat mir eingeleuchtet und so hab ich das gemacht und damit war das Thema durch.
So läuft das mit jedem Hund, der zu uns kommt und mit dem wir dann ausprobieren, ob er gerne mit ins Restaurant kommt. Wenn nicht, bleibt er in Zukunft zuhause, wenn ja, dann haben wir immer seine Decke dabei, ob er da drauf liegt oder daneben, ob er sitzt, liegt oder steht, ist seine Sache. Und wenn jede Menge Hunde in dieser Kneipe sind, bleibt unser Hund sicher draussen oder wir gehen gar nicht erst rein, weil das Stress pur ist für alle Beteiligten.
Ja, aber beim Agilityturnier? Da muss er doch…? Finde ich nicht. Ich lehne dieses ganze Turniergedöns und die Jagd nach fragwürdigen Erfolgen und noch viel fragwürdigeren Pokalen und Urkunden sowieso ab, weil es da in der Regel nur im die Befriedigung menschlichen Ehrgeizes geht und nicht um das Wohl der Hunde. Warum also sollte ich „Decken“- und „Entspannungs“training machen, wenn das alles auch ganz anders und viel leichter in den Griff zu kriegen ist und nebenbei ist es für meinen Hund und mich auch noch angenehmer?
Und wenn Besuch kommt oder wir mit dem Hund irgendwo auf Besuch sind? Besuch, der zu uns kommt, weiß, dass wir Hunde haben. Wenn er nicht damit klar kommt, dass die einfach dabei sind, dann kann er uns halt nicht besuchen. Wenn wir bei Menschen eingeladen sind, die mit Hunden, die einfach so in ihrer Wohnung rumlaufen, Probleme haben, dann bleiben die Hunde zuhause. Denn in einer neuen Umgebung wollen die Hunde halt alles erkunden. Menschen, die das in ihrer Wohnung nicht wollen, haben das Recht, das zu verweigern – ihre Wohnung, ihre Regeln. Aber dafür muss ich meine Hunde nicht nerven.
Ich will gar nicht leugnen, dass Entspannungstraining für manche Menschen eine Möglichkeit ist, einen sehr unruhigen, gestressten Hund freundlich zur Ruhe zu bringen, man bekommt u.U. damit einen Fuss in die Tür. Deckentraining – wie freundlich auch immer aufgebaut – ist einfach überflüssig wie ein Kropf. Denn das A&O sind letztendlich die Bedingungen, unter denen der Hund lebt. Sind sie so, dass er ein entspanntes Leben führen kann? Oder ist ihm aufgrund seines stressigen Lebens Entspannung nur noch auf einer entsprechenden Decke mit aufkonditioniertem Signal möglich?
Denkt mal drüber nach.