Vor einigen Tagen war ich mit einem entzückenden jungen Rüden beim Trainingsspaziergang in Templin. Das mache ich sehr gerne, weil ich selber auch immer wieder Dinge sehe und erlebe, die mich weiterbringen. Der junge Kerl, nennen wir ihn der Einfachheit „Bello“, ist genau in dem Alter, in dem junge, intakte Rüden nicht so recht wissen, wie sie mit anderen Kerlen umgehen sollen und erstmal rumpöbeln. Vorsichtshalber. Weil sie dabei auf breite Brust und dicke Hosen machen, denken viele Menschen, dass der ganz sicher sehr dominant und selbstbewußt ist. Ist er aber nicht, er ist unsicher, sonst hätte er das nämlich gar nicht notwendig.
Unser Bello ist aber alles andere als selbstbewußt, er weiß, dass er trotz seiner stattlichen 40 kg noch recht wenig zu sagen hat. Also verunsichern ihn Hundebegegnungen und überhaupt Begegnungen mit Lebewesen oder Situationen, die er noch nicht kennt, sehr stark: er zieht an der Leine wie Hechtsuppe, hat diesen feinen Stressschaum an der Nase, muss sehr oft stehen bleiben und irgendwas kontrollieren. Er hat gelernt, dass das besser geht, wenn er sich hinsetzt. Sehr gut. Im Sitzen kann man nämlich wunderbar alles betrachten und beobachten, was man in Bewegung nicht richtig wahrnehmen würde. Und man kommt dabei besser zur Ruhe.
Erschwerend kommt hinzu, dass zur Zeit viele Hündinnen läufig sind, auch einige seiner Freundinnen im Dorf. Und hier, an der Templiner Kurmeile, kommen natürlich auch viele Hundebesitzer mit läufigen Hündinnen, weil sie hier gut ausweichen können. Bello hat also richtig Stress. Er kennt die Gegend noch nicht, es riecht nach vielen Hunden, es duftet nach hübschen Mädchen, Rehe sind hier auch manchmal unterwegs, ein alter Mann schiebt einen Rollator vorbei, der Linienbus kommt, auf dem Parkplatz, auf dem wir uns treffen, ist auch einiges los….. viele Reize also für einen jungen Rüden, der wohlbehütet auf dem Dorf lebt und normalerweise ruhige Spaziergänge über Wiesen und Felder macht.
Beim Aussteigen ist noch alles relativ unkompliziert, aber als wir den Parkplatz verlassen und rechts in den Spazierweg einbiegen wollen, sehen wir auf der anderen Straßenseite eine Frau mit Hund im Stechschritt auf uns zukommen. Der Hund läuft an einer ganz kurzen Moxonleine im Zug (Leine mit integriertem Würgehalsband) neben der telefonierenden Frau. Er läuft bei Fuß, die Leine hängt locker durch. Ob die Frau uns gesehen hat oder nicht, kann ich nicht sagen. Bello jedenfalls hat die beiden registiert und ist sehr aufgeregt: Kopf hoch, Schaum an der Nase, große Anspannung, trotzdem schafft er es, mit mir mitzukommen und Abstand zwischen uns und die beiden zu legen. Er kann kein Kekse nehmen, nicht mal die sehr intensiven seines Frauchens aus dem Fressnapf, an die meine Hunde von wegen Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen nicht mal hinriechen dürfen, die aber für viele Hunde das absolute Highlight sind.
Ob der andere uns gesehen hat oder nicht, weiß ich nicht. Ich sehe nur, wie er vor der Straße exakt im rechten Winkel mit der Frau auf einen Trampelpfad einbiegt, der parallel zur Straße läuft. Gott sei Dank. Die Frau telefoniert währenddessen unentwegt, die Leine ist immer locker und die beiden rennen im Stechschritt weiter.
Wir gehen sehr langsam mit ziehendem Bello weiter, er muss alle paar Meter irgendwas gründlich kontrollieren, entweder mit der Nase oder er setzt sich hin und schaut sich um. Uns ist das egal, wir haben Zeit. Wir unterhalten uns – immer mit Blick auf Bello – über Dinge, die momentan aktuell sind, z.B. darüber, ob es sinnvoll ist, bei ihm über Kastration nachzudenken oder nicht. Dabei haben wir nicht nur Bello im Blick, wir achten auch darauf, wer uns entgegenkommen und evtl. für Bello ein Problem werden könnte. Bei dem Gruselwetter hält sich das in Grenzen.
Schließlich stehen wir an einer Weggabelung, ca. 150 Meter vom Parkplatz entfernt. Da sehen wir, dank Bello, der uns aufmerksam gemacht hat, die immer noch oder schon wieder telefonierende Frau ca. 300 Meter entfernt, Hund nach wie vor bei Fuß an der lockeren Leine. Und natürlich sind die beiden sehr eilig unterwegs.
Ich kann mir schon vorstellen, wie die beiden gelaufen, oder besser gerannt sind, denn diese Runde gehe ich mit meinen Hunden auch oft. Wenn ich nachrechne, wann wir die beiden zuerst gesehen haben und wann zum zweiten Mal, dann würde das bei uns bedeuten, dass ich mit meinen Hunden ca. 40 Minuten unterwegs wäre – mindestens. Die Telefonfrau hat das locker in 20 Minuten geschafft. In der Zeit haben wir 150 Meter bewältigt. Vielleicht kennt ihr Hund die Strecke schon, dann wird er vermutlich auch nicht mehr sooo neugierig auf alles sein, aber er wird doch mal irgend einem Geruch nachriechen, ein paar Schritte ins Gebüsch machen wollen, wo die Rehe unterwegs waren, er muss doch mal Pipi machen und wichtige Stellen markieren – aber danach sieht das jetzt nicht wirklich aus. Das sieht mehr nach „ich muss noch SCHNELL mit dem Hund raus“ aus und das wird dann auch SCHNELL erledigt. Und weil ein Hund ja Bewegung braucht, macht man eben SCHNELL eine große Runde. Damit die Zeit auch sinnvoll genutzt wird, erledigt man gleich noch ein paar wichtige Telefonate.
Der Hund hat nix davon, das ist mal sicher. Er darf nicht schnüffeln, er darf sich nichts ansehen, er muss exakt neben seiner Herrin herrennen, sonst tut der Hals weh – Moxonleine im Zug -, vermutlich darf er nichts außer atmen und das vielleicht auch erst nach genehmigtem Antrag. Tut mir leid, genau sowas fällt mir so einer gruseligen Begegnung ein.
Frage: wozu braucht so jemand einen Hund? Es gibt in Deutschland und vermutlich auch in keinem anderen Land weltweit ein Gesetz, nach dem jeder einen Hund haben muss. Spazierenrennen kann man auch ohne Hund und bei Ekelwetter könnte man dann ja ins Fitnesscenter aufs Laufband gehen. Da hat man dann Bewegung und telefonieren kann man auf dem Laufband auch.
Ernsthaft: so sieht kein guter Hundespaziergang aus, auch wenn viele Leute es als höchstes Ziel ansehen, dass ein Hund stundenlang an der Leine – Würgehalsband im Zug, sonst wird das nämlich nix – exakt bei Fuß neben einem her läuft, so dass man sich überhaupt nicht mehr um ihn kümmern muss. Wenn das gute Hundehaltung sein soll, wenn das ein Beweis von „guter Erziehung“ und womöglich „guter Bindung“ sein soll, dann möchte ich keinen Hund haben. Meine Hunde sollen ihr Highlight des Tages, den Spaziergang mit mir genießen können. Sie sollen anschließend wissen, wo sie waren, etwas erlebt haben, von dem sie später träumen können. Sie sollen Erfahrungen machen dürfen, die nichts mit meinen Vorgaben zu tun haben. Wenns schwierig wird für sie, sollen sie mich fragen können, wie wir das jetzt hinkriegen….. aber eins sollen sie niemals: wie Roboter neben mir herrennen und SCHNELL ihren Spaziergang absolvieren.
Mit Bello sind wir noch eine sehr viel kleinere Runde gegangen, schon allein deshalb weil er unbedingt wissen wollte, wo der andere Hunde gelaufen ist. Den Rückweg haben wir dann über eine Wiese abgekürzt, die tatsächlich nicht mit so dermaßen vielen Gerüchen kontaminiert war. Da hat er sich dann ein paar Mal auf den Rücken geworfen, sich gewälzt und geschubbert, dann gings ihm besser. Letztendlich haben wir für max. ein Drittel der Strecke ungefähr 3 x so lange gebraucht, wie die beiden und zwar von dem Moment an, wo wir sie zum ersten Mal gesehen haben, bis zur zweiten Entdeckung. Wie lange der arme Kerl so schon hat rennen müssen und wie lange das noch gedauert hat, das weiß ich natürlich nicht.
Ich kann nur voll und ganz zustimmen: wozu braucht so jemand einen Hund?
Mit einem Roboter waere der guten Frau sicher besser gedient. Der arme Hund tut mir einfach nur leid.
So ein Würgehalsband ist die Hölle. Es sollte verboten sein.
Auch Tiere wollen uneingeschränkte Aufmerksamkeit, aber das Handy verhindert jeglichen Ungestörten Kontakt. Dann lieber Spass mit dem Hund haben.
Für mich erstaunlich dass so etwas überhaupt möglich ist. Meine Emma macht sofort irgendeinen Unsinn um meine Aufmerksam zu bekommen, da reicht schon wenn ich mit meinen Gedanken abgelenkt bin, deshalb ist es auch so toll mit ihr, ich bin gezwungen alles Andere zu vergessen.