Die Freiheit, die ich meine…. Teil 2

Freilauf – die Lösung aller Probleme?

Ein großes Anliegen haben ca. 98% aller Hundehalter gemeinsam: sie möchten, dass ihre Pelznase so viel Freilauf wie nur möglich hat. Früher war ich auch der Meinung, dass das gut und sinnvoll ist. In einer anderen Welt wäre es das vielleicht auch. Nur: die Welt ist für Hunde sehr viel komplizierter geworden und deshalb dürfen meine Hunde und die Hunde meiner Kunden lange nicht mehr so viel frei laufen wie das bei meinen Hunden früher möglich war.

Ein großes Problem stellt für viele Hundehalter das Interesse ihrer Pelznase an Wildtieren dar. Dass das normales Hundeverhalten ist, ist mittlerweile vielen aus dem Gedächtnis entschwunden und da wird dann – weil Freilauf ja trotzdem sein muss, sonst ist der Hund nicht glücklich und nicht ausgelastet – wie verrückt daran gearbeitet, dass es trotzdem geht. Irgendwie. Mit 100%igem Rückruf zum Beispiel. Oder einer definierten Entfernung, die der Hund ausnützen darf. Nur einen Schritt mehr darf er nicht machen. Aber damit befassen wir uns im nächsten Teil.

Jetzt möchte ich euch einfach von einem normalen Spaziergang über die große Wiese hinter unserem Anwesen erzählen. Auf dieser Wiese ist richtig viel los, was ich normalerweise aber nur am Verhalten meiner Hunde erkennen kann. Deshalb ist der Schnee zur Zeit richtig schick, da sehe ich nämlich die Spuren, kann einschätzen wie frisch sie sind und ich sehe manchmal auch die Verursacher dieser Spuren. Vor einigen Tagen war das der Fuchs.

Wenn wir unser Anwesen durch das große Tor am Hundeplatz verlassen, laufen meine Hunde erstmal frei. Sie müssen das Katzengebüsch untersuchen, nachsehen ob die Nachbarin so ganz aus Versehen ihr Tor offen gelassen hat, dann könnte man den Katzen hinterher, dann muss noch die Benjeshecke kontrolliert werden, die Garage mit dem Anhänger, das Holzlager….. gibt also einiges zu tun. Jetzt im Winter laufen wir dann auch erstmal ohne Leine über die Wiese. Aber spätestens wenn ich Richtung Abhang komme, werden sie angeleint. Warum?

Weil da unten rechts und links jeweils ein großes Bruch ist und da sind jede Menge Viecher drin: Wildschweine, die wären jetzt nicht bedenklich, denen weichen wir aus. Wölfe – nein, auf keinen Fall! Denen weichen wir sehr großräumig aus, mit denen wollen wir nichts zu tun haben. Rehe, naja, wenn die nicht direkt vor uns auftauchen oder wegrennen oder wenn die Spur nicht superfrisch ist, dann sind die nicht so interessant. Damhirsche dagegen sind immer spannend. Vielleicht weil sie immer zu mehreren auftauchen oder weil sie so viel Krach machen, wenn sie durch den Wald rennen. Jedenfalls sind die hochinteressant.

Aber am interessantesten ist der Fuchs. Wenn der Maxl (13 Jahre, Dackelmix) einen in der Ferne sieht, ist er weg. Nicht lustig. In unserer Nachbarschaft lebt eine Fuchsfamilie und wir wissen ganz genau, wann die wo unterwegs sind, das wird uns auf jedem Spaziergang akribisch mitgeteilt. Vor ein paar Tagen waren Indi und Maxl am Abhang sehr, sehr, sehr interessiert und auch aufgeregter als sonst, die Fuchsspuren hatten sie mir gezeigt und ich hatte sie im Schnee auch gesehen. Also: Schleppleine dran an die Hunde.

Und dann stehen wir und beobachten die Gegend. Die Hunde, die Gott sei Dank nicht so fit sind im Einordnen dunkler, beweglicher Flecken, die in 200 Meter Entfernung über die Wiese schleichen, sehen ihn zu meinem Glück nicht. Oder jedenfalls später als ich. Dieses Mal, ein anderes Mal kann das auch anders sein. Wenn nämlich kein Schnee liegt und ich den dunklen Fleck eben nicht durchs Gras schleichen sehe. Dann wäre es eine Sache von Sekunden und weg wären sie – beide. Das hatten wir schon. Also wenn keine Leinen dran wären.

Wir haben also zwei jagdbegeisterte Hunde, die ihren Erzfeind sehen und riechen und in erreichbarer Nähe wissen, keine Leine dran und sie zischen natürlich ab. Sie sind gut aufeinander eingespielt und wissen genau, wie sie es anstellen müssen, um den Fuchs zu kriegen. Natürlich könnte ich hoffen, dass der Fuchs schlauer ist und ihnen entkommt. Das kann aber schief gehen. Aber selbst wenn er entkommt: sehen die Jäger das auch so locker? Und was mache ich, wenn sie in das einzige Auto rennen, das an diesem Tag auf der gegenüberliegenden Straße fährt?

Jetzt ratet mal: wie wahrscheinlich ist es, dass sie auf meinen 100%igen Rückruf ob mit oder ohne Pfeife reagieren? Auch wenn ich Filetsteaks dabeihabe oder mit einem halben Rind als Belohnung wedle? Und wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich an eine eintrainierte Distanz halten, wenn der blöde Fuchs nunmal ausserhalb dieses Radius rumschwirrt?

Ich traue mich wetten: keine Chance. Die sind weg. Und ich steh dann da mit meinem Talent. Und habe Angst um den Fuchs und um meine Hunde.

Die Schleppleine hat bei meinen Hunden und vielen, die ich kenne, den Effekt, dass die Hunde sich erst gar nicht so reinsteigern. Natürlich regen sie sich auf, wenn der Fuchs da frech rumläuft. Aber das hält sich in vertretbaren Grenzen. Und ganz unkompliziert wird es, wenn ich ihnen sage, dass ich den Fuchs gesehen habe und dass er da drüben ist, schaut nur hin, Hundis, das ist er! Dann gibts viele Kekse und von mir und viel, viel Lob, weil wir den Fuchs gemeinsam beobachten.

Der ist ja auch nicht blöd und hat uns schon längst registriert. Vermutlich weiß er schon, dass wir kommen, wenn wir aus dem Tor gehen. Und er weiß auch, dass meine Hunde an der Leine sind, er hat uns ja schon oft genug beobachtet. Also kann er in aller Ruhe erstmal seine Mäusejagd beenden. Dass wir ausweichen, wenn er gerade mitten in der Jagd ist, das weiß er sicher, weil das haben wir auch schon gemacht. Immer klappts nicht, weil manchmal überraschen wir ihn eben. Aber der weiß schon, dass wir ihm nichts tun. Also, dass ich das zu verhindern weiß.

Freilauf würde also bedeuten, dass ich meine Hund extrem im Auge behalten und genau auf jede ihrer Regungen achten muss, damit ich den Moment nicht übersehe, in dem sie spätestens angeleint werden müssen. Das bedeutet große Anspannung bei mir, die sich natürlich auf die Hunde überträgt, die dadurch aufgeregter sind und deshalb auch leichter und schneller abzischen, wenn es einen Anlass gibt. Stimmungsübertragung nennt man das. Funktioniert leider auch so, dass die Stimmung, in die meine Aufregung die Hunde versetzt, mit meiner Stimmung eigentlich nichts zu tun hat. Es geht einfach nur um die Anspannung und Aufregung. Ich reg mich auf für den Fall, dass die Hunde hinterm Fuchs her sind, die Hunde regen sich auf, weil ich aufgeregt bin.

Deshalb mein Tipp: Schleppleine dran an jeden Hund, der sich einfach sehr für Wildtiere – oder auch für Katzen – interessiert, sobald wir in deren Wohnzimmer spazierengehen. Das entspannt euch, eure Hunde und die Wildtiere. Und die Schleppleine verschafft eurem Hund genügend Freiraum, damit er in Ruhe alle interessanten Spuren untersuchen und seine Hundesachen machen kann.

Schreibe einen Kommentar